Die Baukunst in Korfu-Stadt
Bei einem Rundgang durch die Gassen der Altstadt glaubt man
sich in eine Filmkulisse versetzt. Vor unseren Augen ersteht
das Alltagsleben des 18. Jahrhunderts, als Damen in Krinolinen
und Herren im Gehrock und am Stock mit gedämpfter Stimme
plaudernd und ringsum Bekannte höflich
grüßend spazieren gingen. Die Wahrheit ist, dass
das Leben hier schon früher und nicht unter solch romantischen
Bedingungen begann..
Die Altstadt von Kerkyra, die Exopolis, geht auf das 13. Jahrhundert
zurück, als die Übervölkerung der Festung und
der vom Herrscherhaus Anjou ausgeübte Druck auf die orthodoxen
Korfioten zum katholischen Glauben zu konvertieren eine unerträgliche
Situation geschaffen hatten. Stück für Stück
breitete sich die Stadt auf den Hügeln um die Festung aus,
nahe genug, um bei einer Belagerung durch ihre Kanonen geschützt
zu sein. Gebäude aus dieser ersten Phase bestehen heute
keine mehr. Das traumhafte Szenario, von dem eingangs die Rede
war, datiert aus der Epoche der Venezianer und Engländer
(16. bis 19.Jhdt.) Was sie bei einem Altstadtbummel sehen, worin
Sie laufen und sich sicher auch ver-laufen werden, stammt alles
aus jener Zeit.
Einige Bemerkungen zu den Gebäuden können beitragen
zum
Verständnis des wirtschaftlichen und sozialen Lebens der
Stadt im Lauf der Jahrhunderte. Sie wurden von der Mittel- und
der Unterschicht nach und nach erbaut und sind im eigentlichen
Sinn erste Formen des Wohnblocks.
Die venezianischen Gebäude stammen aus Zeiten, die geprägt
waren durch Kriege, Belagerungen, Armut und Ausbeutung durch
die Feudalherren. Sie wurden auf sehr kleinen Grundstücken
unter Ausnutzung der gesamten Fläche, ohne Durchgänge,
mit nur rudimentären Lichtschächten, ohne Hof, Garten
und Toilette, aber mit streng rechteckiger Gleichförmigkeit
und symmetrischen Fassaden gebaut. Charakteristisch und heute
leicht zu erkennen sind die Bögen, Volta, wie
sie die Korfioten nennen, die symmetrisch angeordneten Fenster,
die breit abgesetzten Geschosse, die Tore, die gemeißelten
Stützen der steinernen Balkone, die Kranzgesimse, die vielfältigen
Kamine und die vergitterten Fenster im Erdgeschoss. Farben dieser
Zeit sind
das Rot und Ocker der Mauern in Verbindung mit dem Weiß
der Fensterrahmen und dem zypressenfarbigen Grün der Läden.
In den Häusern der Altstadt finden sich
kaum Keller, weil sie wie gesagt auf den Felsen der Hügel
um die Festung erbaut wurden. Daher befindet sich der Speicher
im nur selten als Wohnraum benutzten Dachgeschoss.
Unterschiede ergeben sich nur zwischen den Häusern des
gemeinen Volkes und der Reichen. Erstens gibt es viel mehr bescheidene
Häuser. Sie sind, unbeeinflusst von Stil und Mode einer
Epoche, zeitlos in ihrer Schlichtheit. Die Häuser der wohlhabenden
Bürger drücken einen bewussten Gestaltungswillen aus
und sind verziert mit gemeißelten Torbögen, schweren
Simsen, in Stein gehauenem Tor, Barock- und Renaissanceelementen
nach Vorbild der Herrschaftshäuser des Adels.
Die Gebäude aus der Zeit des englischen Protektoratssind
höher (sie können bis acht Stockwerke erreichen ),
und abwechslungsreich mit Balkonen gestaltet, die Bauausführung
ist von besserer Qualität, sie sind geprägt von westlich
inspiriertem neoklassizistischen Geist und wurden hauptsächlich
von begabten griechischen Architekten geplant. Die Gebäude
sind von großzügigerem Zuschnitt, es gibt jetzt breitere
Lichtschächte und wir finden erstmals vom übrigen
Wohnbereich abgesonderte Toiletten.
Literaturhinweis
Biographie: Traditionelle griechische Architecktur - Korfu,
Afroditi, Agoropulu Birbili, Ausgabe "Melissa" 1982